Donnerstag, 20. Oktober 2011

tüvoaskschwötedir?

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Lieber Gott, lass mich Französisch verstehen. Und zwar viel und bald. Der Hauptgrund, warum ich hierher gekommen bin, war, endlich diese Sprache zu lernen. Ich mochte sie, glaube ich, schon immer. Schon als Kind, als mein älterer Bruder die Beatles Schallplatte mit dem Lied Michelle rauf und runter gehört hat. Oder als meine Eltern mir die Marseillaise beigebracht haben.  Damals waren es nur wohlklingende Laute, die ich auswendig nachplapperte, ohne mich wirklich für den Sinn zu interessieren. 
Und nun kann ich mich auch schon unterhalten. Mein Gesprächspartner muss zwar Geduld haben und mich mögen. Denn ich muss oft nachfragen und abgesehen von den fragenden Worten, setze ich (teilweise schon unabsichtlich) ein ratloses Gesicht auf, wenn etwas unklar ist. Wenn mir nur ein Wort im Satz fehlt, kann die ganze Info den Bach runter gehen. 
Manchmal frage ich auch nicht. Dann nicke ich zu den fremden Worten verständnisvoll und interessiert. Und wenn ich Glück habe, ist der Erzähler ignorant genug, um nicht ein gleichberechtigtes Gespräch zu erwarten, bei dem ich etwa auch mal was sagen will. Das ist dann der Zeitpunkt, ein neues Thema zu eröffnen. Zum Beispiel mit: Hast Du eigentlich schon Hausaufgaben gemacht? Aber wer will einem schon verübeln, wenn man nicht gleich die schwierige französische Buchstabensuppe auseinanderdefinieren kann.
Wenn jemand "tüvoaskschwötedir??" fragt und das soll nicht nur ein Wort sein - sondern acht. Da können schon mal ein paar Minuten der Ahnungslosigkeit verstreichen, bis man begreift: Der Mensch wollte fragen, ob ich erkenne, was er mir sagen möchte. "tu vois ce-que je veux te dire?"

Doch ich habe gute Hoffnung, was meine Konversation in einem Jahr angeht.
Meine Güte: Ich habe in Berlin manchmal die Erasmus-Studenten aus Italien und Spanien beobachtet und erlebt. Manche konnten nach einem Jahr radebrechend deutsch, manche verständigten sich sogar nur mit rudimentären Kenntnissen in Englisch. Der Gesichtsausdruck, wenn so ein Fremdling sich freiwillig in Vorlesungen mit deutschen Informationen zuhageln lässt, ist schwer zu beschreiben. Er strahlt das Schwanken aus zwischen engagiertem Mitmachfieber und verzweifeltem Unverständnis. Er will sagen: Was bitte sollen diese komischen Laute jetzt bedeuten. Dieser Gesichtsausdruck ist gleichzeitig Bewunderung und Neid, Resignation und Hoffnung. Die Person hinter diesem Gesicht fragt sich, ob das wirklich die richtige Entscheidung war, ob dieser Stoff etwa auch im Examen abgefragt wird und ob man als Erasmusstudent eine Art Welpenschutz genießt. Und dieses Gesicht lächelt mild und hofft inständig, jetzt bloß nicht vom Prof gefragt zu werden. Ich möchte mich in den Vorlesungen, glaube ich, nicht selbst beobachten.

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