Mittwoch, 30. November 2011

Mit zwei Karten ein gemachter Mann

Eine der Sachen, die mich in Paris dauerhaft faszinieren, ist das Kino. Es ist so beliebt wie bei uns IKEA an einem Sonnabend-Vormittag. Zuweilen glaube ich, mich in den Anfangszeiten der Kinematografie zu befinden, so viele Menschen stehen an manchen Tagen an. Besonders schlimm ist es an und vor Feiertagen. Da werden die Leute unruhig, schubsen und es kann schon mal passieren, dass man keine Karte mehr bekommt. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir so etwas nach der Wende in Berlin passiert ist. Neulich war ich mit meiner Bekannten Sarah auf einen guten Film aus. Les Intouchables kam gerade neu in die Kinos. Eine ewig lange Schlange wartete schon vor dem Kinopalast Odeon. Und Sarah kam wie immer zu spät. Selbst die reservierten Karten wurden alle von ihren Käufern abgeholt. In Berlin wäre der Abend gelaufen. Man wäre stinkig auf dem Zuspätkommer und würde was trinken gehen.
Nicht so in Paris. Sarah kennt die Szene und will sogar Cinema studieren. Wortlos zwinkerte sie mir zu, lotste mich zu der nächsten Station der Leihfahrräder und wir waren in zehn Minuten beim nächsten Kino-Tempel. Die Vorstellung kam etwas später, wir waren drin und der Saal ebenfalls ausverkauft.
Zwei Dinge sollte man sich wirklich besorgen, wenn man länger in Paris bleibt. Ein Karte der Firma Velib (das sind die Leihfahrräder) und eine Jahres-Kino-Karte. Mit diesen zwei Karten ist man ein gemachter Mann und kann viele interessante Abende sehr preiswert verbringen.
Velib verlangt 35 Euro für ein Jahr. Zu diesem Tarif kann man sich die Räder der rund 4000 Stationen ausleihen und eine halbe Stunde am Stück benutzen. Gratis. Diese halbe Stunde sollte man einhalten, sonst wird´s teuer. Ich habe selbst mal die Erfahrung gemacht, weil die Station an der ich mein Rad angedockt hatte, irgendwie den elektronischen Funkcode nicht lesen konnte. Am nächsten Tag, als ich wieder ein Rad ausleihen wollte, wurde ich von dem Stations-Monitor darauf aufmerksam gemacht, dass ich noch ein Rad in Gebrauch habe. Was natürlich nicht stimmte, mir aber Angst machte, weil ich wusste, dass die Preise mit jeder halben Stunde nahezu potentiell steigen. Wenn mir meine Mitbewohnerin Maja nicht geholfen hätte, hätte ich über 200 Euro zahlen müssen. Die Firma konnte aber zum Glück nachvollziehen, welche Docking-Station eine Macke hatte.
Ein eigenes Fahrrad zu kaufen macht hier keinen Sinn. Nicht nur weil Velib so günstig ist und man innerhalb einer Stunde fast alles erreicht hat. Auch, weil ein eigenes Fahrrad in Paris nicht lange ein eigenes Fahrrad bleibt, sondern, wie mir hier jeder sagt, rasch den Besitzer wechselt. Sehr rasch. Wer Rad fährt in Paris sollte einen kräftigen Daumen haben und außerdem mutig sowie  sehr vorausschauend sein. Ich glaube manchmal, dass das Fahrrad noch etwas sehr exotisches ist hier. Die meisten Autofahrer zum Beispiel sind der festen Überzeugung, dass sich ein geradeaus fahrender Radler einem rechtsabbiegendem PKW unterordnen muss. Man erkennt das Gesicht eines ausländischen Radfahrers an einer Pariser Kreuzung schnell an den weit aufgerissenen Augen. Ach so: Den dicken Daumen benötigt man übrigens für den Dauerbetrieb der Klingel.

Die Kinokarte ist ungefährlicher, dafür etwas preisintensiver, lohnt sich aber. Ein einzelner Besuch in einem der rund 650 Filmtheater (Berlin hat an die hundert Kinos) kostet rund zwölf Euro. Die Magnetkarte "UGC-Illimité-Express" der Firma UGC (ein großer Kinokonzern) hingegen kostet pro Jahr (!) 25 Euro plus 18 Euro monatlich. Und dann kann man in den Kinos der UGC-Kette Filme schauen bis man rausgetragen wird. Das lästige Warten an der Kasse fällt weg, denn mit der Karte zieht man sich sein Ticket an einem Automaten. Zugegeben: An manchen Tagen stehen sogar Schlangen an diesen Maschinen.
Doch so manche Ausfallstunde der Uni habe ich schon vormittags in einem Kinosaal verbracht, in dem ein Dutzend Leute saß. Mein Stammkino unweit des Centre Pompidou zählt 20 Säle. Man hat keine Mühe, einen Film zu finden, der einen interessiert und innerhalb der nächsten 30 Minuten anfängt. Da fällt mir ein: Ich könnt schon wieder.  

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